Am 7. September 2021 hat das Bundesgericht wider Erwarten von Kanton und Stadt Biel in der Frage der Enteignungszuständigkeit gegen Biel als Baurechtsgeberin entschieden. Damit ist jener Fall eingetreten, welcher der Kanton bereits im Mai 2020 und im Februar 2021 öffentlich als den schlechtesten bezeichnet hat. Demnach muss anstelle Biels nun der Kanton das Enteignungsverfahren gegen einen privaten Grundeigentümer führen. Der Baustart des Campus Biel/Bienne kann sich dadurch – wie bekannt – bis 2026 hinziehen, der Bezug bis 2029. Auch für die Realisierung des Bildungscampus Burgdorf bedeutet der Bundesgerichtsentscheid teilweise einen Aufschub. Der Neubau der Technischen Fachschule Bern kann erst realisiert werden, wenn die BFH von Burgdorf in den Campus Biel/Bienne umgezogen ist. Die Erweiterung des Gymnasiums hingegen wird losgelöst davon vorangetrieben.
Ausschreibung starten
Das Enteignungsverfahren kann sich über Jahre hinziehen. Solange will der Kanton aber nicht warten. Die Bau- und Verkehrsdirektion (BVD) hat bereits vor dem Entscheid des Obersten Gerichts Optionen geprüft, um trotz neuer Ausgangslage den Prozess bis zum Baustart beschleunigen zu können. Demnach wird die Beschaffung der Bauleistungen von den juristischen Verfahren entkoppelt. Das heisst: Statt zuzuwarten bis das Enteignungsverfahren und das nach wie vor hängige Baubewilligungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen sind, initiiert der Kanton bereits Anfang 2022 die entscheidende Phase der neuen Ausschreibung zur Auswahl eines Totalunternehmens.
Hohe Kostensicherheit
In dieser sogenannten Angebotsphase können die Totalunternehmen weitere, auch kostensenkende Projektoptimierungen einbringen. Auf Basis des Angebots des obsiegenden Totalunternehmens lassen sich anschliessend die Gesamtkosten und die anfallenden Zusatzkosten präzise und unter Marktbedingungen ermitteln. Ausgehend von diesem Marktpreis wird der Kanton dem Grossen Rat anschliessend den benötigten Zusatzkredit beantragen. Damit erhält der Grosse Rat eine hohe Kostensicherheit.
Ein Zusatzkredit ist nötig, da die ursprünglich kalkulierten und durch mehrere Zweitmeinungen bestätigten Realisierungskosten für den Campus Biel/Bienne zu tief angesetzt waren. Zwar konnten in der zwischen März 2020 und August 2021 durchgeführten Optimierungsrunde bedeutende Einsparungen erreicht werden. Diese genügen aber nicht, um den Campus in dem vom Grossen Rat 2017 genehmigten Ausführungskredit von 233.5 Millionen Franken bauen zu können. Der benötigte Zusatzkredit dürfte sich – wie schon im Mai 2020 kommuniziert – in einem höheren zweistelligen Millionenbereich bewegen.
Baubeginn noch unbekannt
Indem die erneute Ausschreibung und der politische Prozess zur Beschaffung des Zusatzkredits parallel zum Enteignungs- und zum Baubewilligungsverfahren laufen, lässt sich die Frist bis zum Baubeginn voraussichtlich verkürzen. Der eigentliche Bau des Bieler Campus kann aber erst dann gestartet werden, wenn das Verfahren zur Enteignung abgeschlossen ist und eine rechtskräftige Baubewilligung vorliegt. Wann das sein wird, ist derzeit unklar.
Öffentliche Auflage zum Campus Bern Anfang 2022
Abgeleitet aus den Erfahrungen aus dem Campus Biel/Bienne wurde das Berner Projekt eingehend durchleuchtet. Es resultierten Optimierungen von insgesamt rund 20 Millionen Franken. So wurden zum Beispiel Verkehrsflächen zugunsten von Nutzflächen reduziert, wodurch das freistehende Nordgebäude verkleinert werden konnte. Kostentreibend sind hingegen neue Vorgaben zum Erdbebenschutz und zur Trinkwasserhygiene sowie aufwändigere Konstruktionen der Musikräume. Letztere sind nötig, da die Bahn künftig näher an den Campus rückt und die zu erwartenden Erschütterungen berücksichtigt werden müssen.
In der ersten Jahreshälfte 2022 soll das Baugesuch öffentlich aufgelegt werden. Da zahlreiche Schnittstellen zu andern Projekten bestehen, ist die planmässige Umsetzung des Bauprojekts auch abhängig von den Nachbarprojekten der Stadt Bern sowie der SBB. Läuft alles reibungslos, könnte der Berner Campus 2027 statt wie bisher geplant 2026 in Betrieb gehen. Diese Verzögerung hat sich aus der Risikoneubewertung ergeben, die im Nachgang zum Bieler Projekt initiiert worden war.